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4. Etappe Petersburg-Helsinki 17.-26.06.2015

Einklarieren in Russland am 17.06.2015 14.15 Uhr Insel Kronstadt 40km vor Petersburg

Kronstadt  Zoll

 

 

 

 

 

Die russischen Grenz- und Zollbeamten kommen mit finsterer Miene daher, reagieren kaum oder nicht auf „guten Tag“, Blickkontakt wird vermieden – Berichte anderer Segler werden leider bestätigt.
Zeitgleich waren 3-5 Zöllner (oder andere Beamte in Tarnuniform) mit Hund (der z.B. munter über unsere Betten tapste) auf dem Boot zur Kontrolle, insgesamt mehr als 12 Beamte. Man hat mit uns nicht kommuniziert und wir erfuhren nicht was sie suchen.
Wir wurden aufgefordert das Boot während der Kontrolle zu verlassen. Dies ist international in keiner Weise üblich, wir protestierten darauf hin und ein Besatzungsmitglied durfte dann im Cockpit sitzen. Von dort aus hat man natürlich keinen Einblick was unter Deck passiert.

Betten Salon

 

 

 

 

 

 

Unser Boot nach der Kontrolle
Zuerst wurde das Schiff auf Drogen und dann auf unerlaubte Medikamente untersucht. Bei einem zeitgleich eingereisten anderen Segelboot aus Berlin wurde man fündig und hat 26 Schmerztabletten des über 70 Jahre alten Ehepaars beschlagnahmt und ein Strafverfahren wegen Einfuhr von Drogen eingeleitet. Alkoholvorräte wurden nicht kontrolliert, man hatte ja was gefunden.
Da man bei uns keine Drogen oder Tabletten fand, wurden die Alkoholvorräte zusammengetragen und gezählt. Leider hatten wir uns nicht richtig informiert das es seit kurzem nur erlaubt ist 3 Liter Alkohol (dabei wird kein Unterschied gemacht ob es sich um Reinalkohol oder Bier handelt) einzuführen. Wir hatten uns aber in Estland für die nächsten 2 Monate extra eingedeckt da Bier und Wein in Skandinavien extrem teuer ist.

Alkohol

 

 

 

 

 

 

 

Es kamen darauf hin wiederum mehrere Zöllner an Bord die jede Flasche/Dose mehrfach fotografierten. Man hatte den Eindruck, dass es darum ging, wer den Wettbewerb –„Mache das schönste Foto des Jahres“ gewinnt, denn jeder fotografierte wild drauf los. Es wurden bestimmt mehrere tausend Fotos gemacht. Danach wurde uns mitgeteilt dass auch gegen uns ein Strafverfahren wegen illegaler Einfuhr von Alkohol eingeleitet wird, da wir nur 12 Liter haben dürften aber 47 Liter an Bord hatten. 47 Liter entsprechen der Menge, die man z.B. zollfrei aus einem nicht EU-Land in die EU einführen dürfte. Nicht das wir Alkoholiker sind aber aufgeteilt auf die verbleibenden 60 Tage und 4 Personen sind dies gerade mal 0,2 Liter Bier/Wein pro Person und Tag. Uns wurde mitgeteilt, dass wir uns 12 Liter aus den beschlagnahmten Vorräten aussuchen können die wir einführen dürfen.
Dies taten wir und durften dann das Zoll-Pier gegen 21.15 Uhr (7 Stunden Kontrollen) verlassen mit der Auflage nicht den Hafen zu verlassen da am Folgetag gegen 11.00Uhr die Kontrollen fortgesetzt und die beschlagnahmten Vorräte abgeholt werden.
Nachts gegen 02.00 (!) Uhr traf dann das andere deutsche Boot neben uns im Hafen ein, diese wurden bis dahin Kontrolliert und befragt.
Am nächsten Morgen bereits gegen 09.00 Uhr kamen weitere Zöllner die nochmals das Boot innen, außen und die Vorräte fotografierten.

Zoll1 Zoll2

 

 

 

 

 

 

Von jeder Flasche/Dose wurden bis zu 5 Fotos wiederum gemacht. Natascha sollte auf russisch eine handschriftliche Erklärung abgeben.

Zoll3 010

 

 

 

 

 

Auf unsere Frage warum er das Boot von innen fotografiert (u.a. unsere Betten, das noch schmutzige Geschirr im Waschbecken, sämtliche Ausrüstung aus verschiedenen Perspektiven) teilte er uns mit, den Tatort für das Verfahren gegen uns dokumentieren zu müssen.
Nach 24 Stunden waren die Kontrollen immer noch nicht beendet. Auf unsere Frage hin wann wir das Boot verlassen können wurde uns keine Antwort gegeben. Daraufhin entschlossen wir uns das Auswärtige Amt in Berlin und das Konsulat in Petersburg um Unterstützung zu bitten.
Wir jedenfalls wären am liebsten sofort wieder abgereist, dies sei aber nicht möglich sagten die russischen Beamten.
Nach Intervention der deutschen Behörden wurde uns zugesichert dass die Kontrollen noch an diesem Tag (!) abgeschlossen werden und wir uns frei bewegen dürften.
Dann die Überraschung: Wiederum kamen 3 neue Beamte an Bord und brachten mehrere Protokolle (insg. 41 Seiten auf Russisch mit 147 Fotos) mit, die Jochen unterschreiben musste. In den Protokollen stand, dass die russischen Behörden eine Preisrecherche zu den beschlagnahmten Flaschen gemacht haben und daraufhin doch alle Alkoholvorräte einziehen müssen. Der Zoll Chef will anscheinend die nächste Feier mit unseren Vorräten gestalten. Jochen ist darauf hin fast explodiert und mußte erstmal von Bord um nicht die Zöllner böse zu beschimpfen und sich abzureagieren.

Zoll4 Zoll5

 

 

 

 

 

 

Die Zöllner haben dann Flaschenweise/Dosenweise unsere Vorräte von Bord getragen und in einem zivilen PKW verstaut. Trotz des Ärgers konnten wir über diese Bilder nur schmunzeln.
Tja liebe Mitsegler, es gibt nun leider doch nicht die versprochenen Kostproben vom Fest des italienischen Weines aus Haapsalu und auch das Bier ist sehr knapp.
Wir werden postalisch informiert wie das Gerichtsurteil ausfallen wird. Unter der Hand hat ein Zöllner uns zu verstehen gegeben das das Verfahren frühestens in 10 Tagen stattfinden wird und es empfehlenswert wäre bis dahin Russland verlassen zu haben.
Nach über 30 Stunden Kontrollen und Warten haben wir dann den Stempel für die Einreise nach Petersburg bekommen.

Wie die Sache ausgeht kann man am Ende der Reise nachlesen:

„POST AUS PETERSBURG“   

Dann die 2. Überraschung:
Wir dürfen auch nach Abschluss der Kontrollen nicht nach Petersburg! Petersburg ist bis zum 21.06.2015 für private Boote gesperrt. Putin ist in Petersburg, höchste Sicherheitsstufe. Die großen Passagier- und Frachtschiffe dürfen ungehindert einlaufen, von Sportbooten geht aber eine potentielle Gefahr für Leib und Leben von Putin aus!
Also bleibt Karoline im Hafen von Fort Konstantin. Es gibt Strom am Steg aber kein Trinkwasser. Das Wasser das hier aus dem Hahn kommt, nennt man ‚technisches Wasser‘ und das wollen wir auf keinen Fall im Tank haben.
Auch das Hotel ‚Fort Konstantin‘ wird mit Wasser im Kanister beliefert. Wir kaufen den Lieferanten 5 Kanister a 6l ab und haben wenigstens zum Kochen und Trinken Wasser.
Die Frau die uns die Einladung für Russland geschrieben hat – Tatjana Bykowskaja – organisiert für uns und das andere Berliner Boot (vom SV Argo aus Berlin-Zeuthen) einen kleinen Bus für eine Stadtrundfahrt. Sie macht mit uns ein richtiges Touri-Programm, Sankt-Petersburg in 5 Stunden.

Kirche1 IMG_0211

 

 

 

 

 

 

Kathedrale in der Peter-Pauls-Festung auf der Haseninsel.
Auf jeden Fall bekommen wir einen Überblick über die Größe dieser Stadt und die wundervolle Lage auf den verschiedenen Newa-Inseln.

St.Peter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was man aus anderen Städten kennt – hier ist alles doppelt und dreifach so groß, wirklich beeindruckend. Viele der Paläste an den Uferstraßen sind schön restauriert, es gibt aber in den Nebenstraßen noch viel zu tun. Viele Häuser scheinen nicht bewohnt zu sein, die Fenster sind blind und schmutzig.
Da aber die mehr als 5Millionen Einwohner ja irgendwo wohnen müssen, gibt es rund um Petersburg riesige Satellitenstädte. Die Chinesen sind dabei immer noch mehr und größer zu bauen. Anscheinend hat die Blockade der europäischen Länder dazu geführt, dass sich Russland und China sehr angenähert haben.
Am Sonnabend, 20.06.2015 machen wir uns auf eigene Faust auf in die Stadt. Am Abend soll an der Newa ein riesiges Spektakel für die Schulabsolventen stattfinden – das Fest der purpurroten Segel. In den Nachrichten ist von 750000 Besuchern die Rede. Es gibt 25000 Absolventen aus Petersburg plus ihre Freunde und Verwandten. Dann sind noch aus ganz Russland Absolventen eingeladen. Besonders hervorgehoben werden die Gäste aus Simferopol von der Krim. Man zementiert also die Besetzung wo man kann.
Wir sind schon nachmittags in der Stadt und spazieren über den Newski-Prospekt. Dort gibt es wahnsinnig teure Geschäfte – alles was in der internationalen Modewelt Rang und Namen hat. Der Taxifahrer sagte auf Nachfrage, dass das für die Touristen gedacht sei. Aber wir haben auch viele Russen gesehen die dort kauften.
Blutkirche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir gehen zum Essen in eine typische russische Stolowaja in einer Seitenstraße. Das Essen ist so wie man es von früher kennt – relativ schlecht, aber billig.

Stalowaja

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gut sind die Pischki, die wir auf Tatjanas Empfehlung in der Bolschaja Konjuschenskja Uliza kaufen. Sehr luftige in Fett ausgebackene Kringel für 13Rubel (etwas über 23 Eurocent) das Stück, die man mit viel Puderzucker bestreut nach langem Anstehen in einer Papiertüte bekommt.

Pischki1 Pischki2

 

 

 

 

 

 

 

Am frühen Abend werden dann durch die Polizia (früher hieß das wohl Milizia) alle Straßen die zum Newa-Ufer führen abgesperrt. Durch kommt man nur mit Einladungskarte. Tausende andere Petersburger und wir haben keine, so sehen wir die Einfahrt des Schiffes mit den purpurroten Segeln nicht.

Purpurne Segel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vom Feuerwerk gegen 0.40 Uhr sehen wir zumindest die sehr hohen Raketen hinter einer der typischen russischen Kirchen mit den Zwiebeltürmen.
Sonntag, 21.06.2015
Da der Wind für uns nicht günstig weht, verschieben wir die Abfahrt auf den Abend und fahren mit dem Taxi (170Rubel = ca. 3Euro) nach Kronstadt.
Dort gibt es die riesige Marine Kirche zu besichtigen, die nach dem Vorbild der Kirche der heiligen Sophia in Istanbul gebaut wurde.

Marinekirche1 Marinekirche2

Es ist schon erstaunlich wie das russische Volk die Religion für sich nach 70 Jahren Sozialismus wieder entdeckt hat.
Anschließend gehen wir noch in einen Supermarkt um uns für die kommenden Tage einzudecken. Dieselben Bier- und Schnapssorten die man bei uns konfisziert hat gibt es hier zu kaufen. So stocken wir unseren Vorrat wieder ein bisschen auf.
Das Ausklarieren aus Russland war dann völlig unproblematisch, keine Hunde, keine Fotos, keine Schikanen nur alles sehr umständlich, unfreundlich und langatmig. Nach 2 Stunden konnten wir Russland verlassen.
Wir hatten dann leider eine Nachtfahrt mit Motor nach Finnland, da der Wind zuerst von vorn und dann gar nicht mehr vorhanden war.

Nacht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Faszinierend sind die weißen Nächte (Aufnahme von 01.00 Uhr)!

Die Einreiseformalitäten in Haapasaari (Finnland) dauerten keine 10 Minuten und waren ganz unspektakulär. Wir wurden höflich begrüßt und gefragt ob der Grenzbeamte an Bord kommen darf und ob er die Schuhe ausziehen soll. Übrigens wurden die russischen Boote die mit uns einklarierten ganz genauso freundlich und schnell abgefertigt. Willkommen in der EU!

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Unser erster finnischer Inselhafen war Kaunissaari/Pyttis Fegarö. Sehr idyllisch, aber leider gab es auch hier kein Trinkwasser für unseren Tank. Der Hafenmeister erklärte uns, dass wir trinkbares Wasser nur am Festland bekommen werden.

Uns hat es trotzdem so gut gefallen das wir einen weiteren Tag geblieben sind und die Insel erkundet haben.

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Auf dieser Miniinsel gab es auch ein liebenswert gestaltetes Fischermuseum…

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…und merkwürdige Blumentopfe und Einrichtungsgegenstände (Fliegerbomben aus dem 2.WK)

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Am Morgen haben wir noch auf der Terasse eines kleinen Restaurants (gleichzeitig auch ein Kaufmannsladen) gefrühstückt.

Am Mittwoch den 24.06.2015 mußten wir endlich einen Hafen anlaufen in dem es Trinkwasser gibt. Das letzte mal hatten wir vor 14 Tagen gebunkert und in Russland schon Wasser in Kanistern gekauft.

Auf dem Weg nach Suninsalmi hatten wir dann statt der vom Windfinder versprochenen 4 Windstärken in Böen bis zu 8Bft! Dazu kam noch ein ordentliches Gewitter, so das sicherheitshalber die Handys und das Sprechfunkgerät in einem Kochtopf deponiert wurden (Faradayscher Käfig).

Im Hafen pfiff der Wind immer noch ganz ordentlich, so das die Bordküche kalt blieb und wir im Hafenrestaurant/Imbiss gegessen haben.

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Natascha hat natürlich eine Fischsuppe (3-4) gegessen und es wurden 2 Maschinen Wäsche gewaschen.

Am Morgen hatte der Wind auf 4-5 Windstärken abgenommen. Ein älteres finnisches Seglerpaar versuchte vergeblich abzulegen, auch unsere Hilfe hat nicht gereicht. So wollen sie warten bis der Wind abnimmt, wir sind ohne Probleme gestartet.

Da Anne und Sebastian noch gerne eine Schäre besuchen wollen, sind wir mehrere Schären angelaufen. Aber überall waren kleine Privathäuser und wir sind wieder abgedreht.

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Kurz bevor wir aufgeben wollten, fanden wir noch einen netten Platz in Norrkullalandet und hatten sogar anschließend Anglerglück und haben einen Fisch gefangen (keine Ahnung was das war, kann jemand helfen?).

Am Freitag, 26.06.2015 sind wir in Helsinki eingetroffen. Auf dem Weg konnten wir den Genacker testen, alles wieder gut durch den lettischen Segelmacher instand gesetzt. Auf Empfehlung eines finnischen Seglers und von unserem Mitsegler und Leidgenossen aus Petersburg (Drogenschmuggel 😉 )  sind wir in einen Hafen auf der Insel Suomenlinna (Sveaborg) eingelaufen.

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Auch hier waren wir im Hafenrestaurant und Natascha hat eine Fischsuppe „all you can eat“ gegessen (9Euro). Die Alkoholpreise sind gepfeffert – ein 0,4l Bier kostet 8€, ein Glas Rotwein 12,60€!